15.10.2008
Arbeit macht krank
Das Streben nach maximaler Rendite in den westlichen Industrieländern macht die Arbeit immer unmenschlicher. Depressionen, Burnout, Muskel-Skelett-Erkrankungen durch schlecht organisierte Arbeit nehmen in Deutschland und anderen Industrieländern zu.
Wissenschaftler reden von zunehmender Gewalt am Arbeitsplatz. Um etwas dagegen zu tun, fehle Geld und der politische Wille. Krankheit durch Arbeit sei noch kein Thema für die Gesellschaft. Weder Firmen noch Staaten wollen in den Prozess eingreifen.
In einer Studie für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de), kommt die Forscherin Prof. Dr. Renate Rau, Uni Marburg zu dem Ergebnis, dass durch schlecht organisierte Arbeit verursachte Krankheiten in Deutschland und anderen Industrieländern deutlich zunehmen. Bei 517 Beschäftigte in den drei Branchen mit den höchsten Fehlzeiten wegen Depressionen, Gesundheit, öffentlicher Dienst und Banken, wurde der Grad der Arbeitsintensität untersucht. Diejenigen mit der höchsten Arbeitsintensität hatten ein vierfach erhöhtes Risiko, während ihres Arbeitslebens an einer klinischen Depression zu erkranken.
Gute Arbeitsbedingungen bedeuteten, dass die Menschen Arbeitswege selbst bestimmen können, Rückmeldungen bekommen, aus denen sie lernen und ihren Leistungen gemäß gefordert werden. Das Gefährliche ist, dass die Arbeitsintensität weiter zunimmt. Selbst Menschen in leitenden Funktionen verlieren ihre Spielräume und Entscheidungsbefugnisse. Die Untergebenen stehen unter demselben Zeitdruck, müssten Fehlentscheidungen ertragen und leiden unter erhöhtem Stress. Wer dann noch in einem feindlichen Umfeld arbeitet, hat keine Chance.
Zum gleichen Ergebnis kommt die französische Psychoanalytikerin Marie Pezé. Sie hat vor elf Jahren als erste eine Anlaufstelle für Menschen, die unter ihrem Job leiden, in einem Vorort von Paris eingerichtet. Inzwischen gibt es mehr als 20 Stellen dieser Art in ganz Frankreich. Dr. Pezé bezeichnet die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen als zunehmende Gewalt am Arbeitsplatz. Ihre Erkenntnisse, bezogen auf Frankreich, gelten universell für die westlichen Industrieländern, da die Organisation der Arbeit überall gleich ist.
In Japan bezeichnet man Tod durch Arbeit mit dem Begriff "Karoshi". Seit 1987 können Angehörige von Karoshi-Opfern eine Entschädigung bekommen. Heute werden jedes Jahr 20 bis 60 Fälle anerkannt - bei etwa 600 Anträgen und einer Dunkelziffer bis zu 10 000 pro Jahr. In Frankreich stieg die Zahl der Selbstmorde am Arbeitsplatz seit Ende der 90er auf schätzungsweise 300 bis 400 im Jahr.
Jahrelang zu viel arbeiten, keine Zeit zum Arzt zu gehen, krank sein geht nicht, führt unweigerlich zum Burnout, sogar plötzlichem Tod. Immer Angst um seinen Arbeitsplatz haben, zu psychischen Störungen bis hin zum Selbstmord. Viele Menschen akzeptieren eine Organisation der Arbeit, die genau diese Vernachlässigung einfordert. Entsprechend reagiert der Körper. In Frankreich leiden 500 000 Menschen an Muskel-Skelett-Krankheiten wie Sehnenscheiden-Entzündung, Mausarm oder Rückenschmerzen. In den USA, Japan und Deutschland sind das ebenfalls die häufigsten Krankheiten, die den Experten zufolge eindeutig auf schlecht organisierte Arbeit zurückzuführen sind.
Matthias Burisch, Professor in Hamburg, beklagt, dass z. B. die Erforschung von Burnout nicht wesentlich vorangekom-men sei. Es gebe zu wenig Geld dafür. Krank werden durch Arbeit sei noch kein Thema für die Gesellschaft. Neben der Überarbeitung kommt es zu immer mehr Entsolidarisierung am Arbeitsplatz. Gründe dafür sind u. a. die ständige Evaluation der einzelnen Arbeitnehmer, leistungsbezogene Vergütungen. Der dauerhafter Konkurrenzkampf zwischen Abteilungen und Mitarbeitern zerstört die Arbeitsgemeinschaften. Mitarbeiter verhalten sich unloyal, feindlich gegenüber Kollegen, geben falsche Informationen, damit sie besser dastehen. Die Menschen vereinsamen und ertragen so die Intrigen noch schlechter.
Die Wissenschaftler sehen die Zukunft düster. Weder Firmen noch Staaten wollen in die Prozesse eingreifen, der politische Wille fehlt. Sie befürchten, dass diese zerstörerischen Entwicklungen in der Arbeitswelt zu einem großen Knall führen werden, der durch die aktuelle Finanzkrise zusätzlich verschlimmert wird. Bis hin zu Sabotage und Morde an Managern, wie bereits in Indien bei einer Tochtergesellschaft des Schweizer Industriekonzerns OC Oerlikon geschehen.
Gute Arbeit - Gestaltung humaner Arbeitswelten
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