31.03.2009
Indirekte Lohnsenkungen – Mehrarbeit zum Nulltarif
Unternehmen und Dienststellen haben auch im Jahr 2008 wieder in großem Umfang von unbezahlten Überstunden profitiert. Die Verlängerung der Arbeitszeit wird damit in zunehmendem Maße zu einem Instrument, mit dem indirekt Lohnsenkungen durchgeführt werden.
Im Jahr 2008 wurde in Deutschland so viel gearbeitet wie noch nie. Trotz der im letzten Quartal einsetzenden Finanzkrise erhöhte sich das Arbeitszeitvolumen um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 57,75 Milliarden Stunden. Zwar sank die Zahl der geleisteten Überstunden insgesamt leicht ab, der Trend, dass hiervon ein Großteil nicht entlohnt wird, hält aber an.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) kam in einer 2008 durchgeführten Umfrage unter 2000 Betriebsräten zum Thema Mehrarbeit zu dem Ergebnis, dass sich die Arbeitszeit in rund einem Viertel der untersuchten Betriebe in dem Zeitraum von Anfang 2005 bis Ende 2007 deutlich verlängert habe. Allerdings erhielten lediglich 37 Prozent der von Mehrarbeit betroffenen Arbeitnehmer/innen einen vollständigen Lohnausgleich. Knappe 17 Prozent wurden nur teilweise entlohnt und fast die Hälfte der Arbeitnehmer/innen bekamen für ihre geleisteten Überstunden überhaupt keine Ausgleichzahlungen. Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass in fast jedem vierten Betrieb die auf Arbeitszeitkonten erfassten Zeitguthaben einfach verfallen.
Die Mitte Februar 2009 vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichten Daten scheinen diesen Trend zu bestätigen. Der Umfang der bezahlten Überstunden wird vom IAB für das Jahr 2008 auf 1,32 Milliarden Stunden beziffert. Das Volumen der unbezahlten Überstunden belaufe sich auf ungefähr die gleiche Größenordnung. Der WSI-Leiter Hartmut Seifert betont, dass dies nicht lediglich eine Randnotiz sei, sondern vielmehr ein „Einfallstor für indirekte Lohnsenkungen“ darstelle. Denn würde die geleistete Arbeitszeit vollständig bezahlt, würden auch die Löhne in nicht unbedeutendem Maße steigen.
Die Seite der Arbeitgeber kennt diese Argumentation der indirekten Lohnsenkung durch unbezahlte Mehrarbeit. Sie verweisen im Gegenzug anhand einer „Globalen Produktivitätsstudie“ auf steigende Lohnkosten aufgrund ineffektiver Arbeitszeitnutzung. Schenkt man dieser von Arbeitgeberseite bei der Unternehmensberatung Proudfoot Consulting in Auftrag gegebenen Studie Glauben, so würde in Deutschland an lediglich drei von fünf Arbeitstagen effektiv gearbeitet, die restlichen zwei Tage würden schlichtweg vertrödelt. Der Studie zu Folge liege also der Anteil der produktiv genutzten Arbeitszeit bei knappen 60 Prozent, womit Deutschland im internationalen Vergleich einen der hintersten Plätze belege. Der Studie sind eine Reihe an Vorschlägen zu entnehmen, wie Arbeitgeber dieser vermeintlichen Ineffektivität begegnen sollten um die Produktivität zu steigern. So sei es für Arbeitgeber von zentraler Bedeutung darüber nachzudenken, was überhaupt als Arbeitszeit anzurechnen sei. Laut dem Report „verschwendeten“ z. B. Deutschlands Bergleute einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit der An- und Abfahrt zu ihrer Arbeitsstätte – der Grube. Will damit die Arbeitgeberseite rechtfertigen, dass sie Mehrarbeit häufig nicht bezahlt?
Es lässt sich an etlichen Beispielen verdeutlichen, dass solche Forderungen nach der Bezahlung der „reinen“ Arbeitszeit keineswegs aus der Luft gegriffen sind, sondern immer häufiger die Realität des Arbeitsalltags widerspiegeln: So gibt es etwa Betriebe, die mittlerweile das Hoch- und Runterfahren des PCs von der Arbeitszeit abziehen. Oftmals wird die Arbeitszeit heute nicht mehr am Haupteingang oder dem Werkstor erfasst, sondern erst am einzelnen Arbeitsplatz. Damit bleibt die Zeit, die Arbeitnehmer/innen dafür benötigen innerhalb des Betriebsgeländes bzw. -gebäudes ihren Arbeitsplatz zu erreichen oder sich ihre Arbeitskleidung anzuziehen, unberücksichtigt und damit unbezahlt.
Die Ergebnisse der von Proudfoot Consulting vorgelegten und in den Medien vielfach aufgegriffenen Studie darf nicht nur aufgrund der einseitigen Datenerhebung – es wurden lediglich Führungskräfte befragt – bezweifelt werden, sondern muss vielmehr als eine von Arbeitgeberseite vorangetriebene Initiative betrachtet werden, die das Feld für indirekte Lohnsenkungen bereiten soll. Letztlich werden also die Beschneidungen der Rechte von Arbeitnehmer/innen verfolgt.
Um hier gegenzusteuern und indirekten Lohnsenkungen zu begegnen, sind kompetente und handlungsfähige Betriebsräte unabdingbar. In den unten aufgeführten PRAXIS-Seminaren werden die rechtlichen Grundlagen und Kenntnisse für die Entlohung aller geleisteten Arbeitzeiten und deren Durchsetzung durch Betriebs- und Personalräte vermittelt:
Seminar: Einführung in die Betriebsratsarbeit 1 – Aufgaben, Rechte, Pflichten u. 111 Tipps
Seminar: Grundlagen der Betriebsratsarbeit 4 – Soziale Angelegenheiten
Seminar: Arbeitszeit gestalten
Seminar: Öffnungszeiten und Mitbestimmung/Mitwirkung bei Arbeitszeiten
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