05.03.2015
Tarifeinheitsgesetz - Auswirkungen auf Int.-Vertretungen?
Mit Urteil v. 7.7.2010 kippte das BAG das Tarifeinheits-Prinzip. Seitdem können in Unternehmen mehrere Tarifverträge gelten - es herrscht Tarifpluralität. Ende 2014 hat die GroKo ein TarifeinheitsG beschlossen, im März folgte die 2. Lesung im Bundestag.
Hintergrund ist, dass der Grundsatz der Tarifeinheit (also das Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag"), der bis zum Jahr 2010 in Deutschland außer Frage stand, seitdem nicht mehr gilt: Nun sah die Bundesregierung Handlungsbedarf – …
… sie fürchtete eine „Zersplitterung der Tariflandschaft und eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie „ - im Klartext gesprochen mehr Streiks und Tarifverhandlungen. Das neue Gesetz sieht nun vor, dass in dem Bereich, in dem es zu kollidierenden Tarifverträgen kommen würde, nach dem Mehrheitsprinzip der Vertrag der Gewerkschaft gelten soll, welche die meisten Mitarbeiter vertritt – diese Regelung soll aber nur "subsidiär" greifen, also dann, wenn konkurrierende Gewerkschaften eines Betriebs sich nicht einigen können, welcher Tarifvertrag für eine bestimmte Berufsgruppe gelten soll.
Wem nutzt das neue Gesetz – wem schadet es?
Es würde zunächst den Arbeitgebern helfen, die sich künftig mit weniger Gewerkschaften auseinandersetzen müssten als bisher. Aber auch viele große Gewerkschaften wie die IG Metall aber auch die EVG würden profitieren und Konkurrenz „im eigenen Haus“ loswerden“.
Opfer wären die kleinen Sparten- und Standesgewerkschaften, die künftig wohl keine Tarifverhandlungen mehr führen könnten. Prominentestes Beispiel ist sicherlich die GDL.
Gibt es Bedenken gegen das Gesetz?
Es gibt tatsächlich zahlreiche verfassungsrechtliche Einwände und Bedenken. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht 2010 grundsätzlich festgestellt, dass "die Verdrängung eines Tarifvertrags mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art.9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren" ist. Das wäre aber faktisch der Fall, wenn in Zukunft der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit weniger Mitgliedern unter den Tisch fallen würde. Zudem wird durch das neue Gesetz indirekt das Streikrecht eingeschränkt, beklagen kleine Gewerkschaften. Minderheitengewerkschaften wäre es in einem Betrieb nicht mehr erlaubt, einen eigenen Tarifvertrag abzuschließen. Ein Aufruf zum Streik wäre in der Folge rechtswidrig und könnte von Arbeitsgerichten als unverhältnismäßig eingestuft werden.
Darüber hinaus ist ohnehin mehr als fraglich, ob das Gesetz überhaupt Sinn macht – problematisch scheint die Anzahl der Streiks in unserem Land nicht. Tarifkonflikte sind in Deutschland im Vergleich zum Ausland eher selten. Bspw. Frankreich, Kanada und Dänemark kommen auf ungefähr fünfmal so viele Ausfalltage durch Arbeitskämpfe wie Deutschland laut Erhebungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.
Mittlerweile regt sich sogar in der Regierungskoalition Widerstand gegen das Gesetz: „Wir können kein Gesetz beschließen, das offenbar eine Mehrheit der Juristen für verfassungswidrig hält“, sagt z. B. der Vizevorsitzende des Bundestags-Sozialausschusses, Matthias Zimmer (CDU). „Die Bundesarbeitsministerin sollte den Entwurf zurückziehen und überarbeiten.“ Auch der frühere Verfassungsrichter Thomas Dieterich hält das Gesetz zur Tarifeinheit für verfassungswidrig. Es „würde die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften eklatant einschränken“, sagte er. Das sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Einige Standesgewerkschaften wie die Vereinigung Cockpit und der Marburger Bund erwägen nun, eine Verfassungsklage einzureichen, und dies auch mit Aktionen gegen das geplante Gesetz zu begleiten. So hat die GDL die mittlerweile 4. Streikzeitung auch zu dem Gesetzesentwurf als Abobeilage der Frankfurter Rundschau verteilt und sie in Bahnhöfen, z. B. am 4.3.2015 in Stuttgart verteilen lassen
PRAXIS meint: Auch wenn Interessenvertretungen nicht direkt von der Entscheidung betroffen sind, so könnten sie es aber indirekt sein. Möglicherweise macht es einen Unterschied, ob es mehrere Institutionen gibt, mit denen Interessenvertretungen auch zu anderen Themen zusammenarbeiten können oder ob die Interessenvertretung sich in die Hände eines Monopolisten begibt. Erstaunlich ist jedenfalls, dass zumindest die Politik, die ansonsten auf Pluralität und Wettbewerb setzt ausgerechnet in dieser Frage auf „Einheitsbrei“ setzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
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Gewerkschaft GDL zum Tarifeinheitsgesetz
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